Zu Besuch im grünen Norden beim LPV Altmark-Elb-Havel-Winkel e.V.
Einmal im Jahr kommen die Landschaftspflegeverbände Sachsen-Anhalts zu einer gemeinsamen Jahrestagung zusammen. Abwechselnd sind wir immer wieder in einer anderen Region unseres Bundeslandes zu Gast. Am 5. September 2018 trafen wir uns in Kläden, Teil der Einheitsgemeinde Stadt Bismark, im Herzen der Altmark, um uns zum Thema „Gehölze in unserer Landschaft – Freund oder Feind?“ auszutauschen. Gastgeber war der Landschaftspflegeverband Altmark-Elb-Havel-Winkel e.V., der sich hier seit vielen Jahren vor allem für die Erhaltung und Pflege der vielen Kopfbäume entlang der Wege und unzähligen kleinen Fließgewässer in der Altmark einsetzt.
Das Thema „Gehölze in unserer Landschaft“ war nicht zufällig gewählt. Leider kann man immer mehr beobachten, dass Gehölze und Bäume nur noch als störend und gefährlich empfunden werden. Laub harken, herabbrechende Äste, Hecken, die in landwirtschaftliche Nutzflächen wachsen? – nein danke! Die Pflege der Gehölze ist ein Kostenfaktor, der die klammen Gemeindekassen belastet. Schleichend und still verschwinden Gehölze immer mehr aus unseren Dörfern, Städten und unserer Landschaft. Es ist nicht nur ein Gefühl, dass leichtfertig große Bäume ersatzlos gefällt, Hecken verstümmelt werden. Mit ihnen verlieren unsere Orte an Gesicht, Schönheit und Eigenart. Wir verlieren damit auch eine Gratisleistung durch eine positive Wirkung auf Klima und Artenvielfalt.
Dabei wurden Bäume von vielen alten Völkern verehrt. Den Germanen galt die Linde als heiliger Baum der Göttin Freya. Linden waren der Treffpunkt der Gemeinschaften, unter ihnen wurde Recht gesprochen, Kultstätten waren von Linden umgeben. Auch Eichen besaßen eine große Symbolkraft. Eichenwälder lieferten Nahrung für Mensch und Tier, Brenn- und Bauholz. In den heiligen Eichenhainen der Germanen war das Fällen der Bäume oder Abknicken von Zweigen streng verboten. Mit Eichenlaub wurden siegreiche Krieger bekränzt. Wo ist die frühere Wertschätzung geblieben?
40 Teilnehmer aus ganz Sachsen-Anhalt konnte Kerstin Rieche (Vorsitzende des Landesverbandes für Landschaftspflege Sachsen-Anhalt e.V.) begrüßen. Eröffnet wurde die Tagung mit Grußworten der Bürgermeisterin der Stadt Bismark, Annegret Schwarz, und des Staatssekretärs Klaus Rehda (Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie). Mit Freude vernahmen wir, dass aus dem Landeshaushalt in den nächsten Jahren zusätzliche finanzielle Mittel für die Pflege unserer Kulturlandschaft bereitgestellt werden sollen, wie es bereits 2017 im Rahmen des Umweltsofortprogramms erfolgte. Ein positives Signal für alle, die sich um den Erhalt einer vielfaltigen und artenreichen Kulturlandschaft in unserem Bundesland sorgen und engagieren.
Den Vormittag füllten Fachvorträge mit angeregten Diskussionen zu aktuellen Fragen rund um das Tagungsthema.
Prof. Dr. Brandes (Technische Universität Braunschweig) erinnerte zunächst eindrucksvoll an die ökologische Bedeutung der Gehölze in unseren Siedlungen, von Hecken und Alleen in unserer Landschaft. Er demonstrierte die Funktion der Straßenbäume als wichtigste natürliche Klimaanlagen in den menschlichen Siedlungen, wo Menschen zunehmend unter Überhitzung und Feinstaubbelastung leiden.
Gerd Flächner (Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Altmark) verschaffte uns einen Überblick über die Situation der Gehölze im schwach besiedelten Landkreis Stendal.
Allein 100 Naturdenkmale im Landkreis Stendal schützen markante Gehölze oder Alleen. Besonders typisch sind die weg- und gewässerbegleitenden Weidengebüsche, Pappelreihen und Kopfweiden. In den 1990er Jahren wurden im Landkreis Stendal noch über 45.000 Kopfbäume gezählt. Oft sind sie in einem beklagenswerten Zustand. Der notwendige regelmäßige Pflegeschnitt ist aufwändig und teuer, er wird daher viel zu selten durchgeführt. Umso wichtiger sind daher Initiativen und Projekte, die sich der Pflege dieser Kulturdenkmale widmen. Allein der LPV Altmark-Elb-Havel-Winkel hat in den letzten Jahren für den Schnitt von 5.500 Kopfbäumen gesorgt. Zuletzt im Jahr 2017 in den Gemarkungen Büste und Meßdorf, finanziert über das Umweltsofortprogramm des Landes Sachsen-Anhalt. Er machte in seinem Vortrag außerdem auf das Konfliktpotential durch unsachgemäße Hecken- und Baumpflege aufmerksam, die Neupflanzungen im Nachhinein teilweise extrem schädigen.
Birgit Krummhaar (Förder- und Landschaftspflegeverein Biosphärenreservat Mittelelbe e.V.) sensibilisierte mit ihrem Vortrag zu einer Problematik, die im Jahr 2020 zum Tragen kommen wird. Eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (§ 40) schreibt ab März 2020 bei Neupflanzungen die Verwendung gebietseigener Gehölze zwingend vor. Ihr Landschaftspflegeverein beschäftigt sich im Rahmen eines EU geförderten Projektes mit der Erfassung gebietseigener Gehölze in der Region Mittelelbe und der Erarbeitung von Vermehrungsstrategien. Es wurde deutlich, dass im Land Sachsen-Anhalt konkrete Regelungen und Strategien fehlen und die Zeit für Lösungen knapp wird. So gibt es landesweit noch kein zufriedenstellendes Angebot an gebietseigenem Pflanzmaterial. Besonders prekär ist die Lage für ökologisch wirtschaftende Betriebe. Zertifiziertes Pflanzmaterial für Ökobetriebe ist nicht in Sicht. Herr Hartmann vom Verbund Ökohöfe e.V. wies auf die große Gefahr hin, dass somit hier keine Neupflanzungen mehr erfolgen können.
Zum Abschluss berichtete Matthias Haase (Landschaftspflegeverband Grüne Umwelt e.V.) von den langjährigen Erfahrungen zum Thema Gehölzpflege aus der Börde. Am Beispiel der Gemeinde Sülzetal demonstrierte er dem Umfang des Pflegebedarfs an linienförmigen Gehölzstrukturen, die im Eigentum der Gemeinde stehen. Überalterung, Pflegerückstände und Artenarmut – so beschrieb er den Zustand der meisten Flurgehölze. Ein Zustand der sich ändern muss, sollen die Gehölze ihre Funktionen im Naturhaushalt weiter erfüllen können. Sein Ausblick zeigte uns, wo mögliche Lösungsansätze zu suchen sind. Der Ruf nach ehrenamtlichem Engagement kann hier nicht zielführend sein. Kommunen sind mit der Situation ebenso sowohl fachlich als auch finanziell regelmäßig überfordert. Das Land muss sich hier seiner Mitverantwortung stellen, die auch aus den Bereichen Förderung der Biodiversität und Artenschutz herrühren. Stabile und langfristig gesicherte Finanzierungen werden am Ende die preiswertere Alternative zu teurer Projektförderung sein.
Den Nachmittag nutzten wir, um Beispiele aus der Arbeit des LPV Altmark-Elb-Havel-Winkel vor Ort zu besichtigen. Unter Führung von Jürgen Peters führte uns die Exkursion in die Gemarkung Büste. 45 Kopfbäume wurden 2017 gepflegt, viele Kopfbäume warten noch auf einen dringend notwendigen Schnitt, der sie vor dem Auseinanderbrechen bewahrt. Anschließend sahen wir in Bismark, wie man mit in der Kleingartenanlage „Völkerfreundschaft“ mit dem Problem leerstehender Parzellen umgeht. Der Landschaftspflegeverband hatte hier für uns ein Schaupressen von Apfelsaft und eine kleine Sortenausstellung organisiert. Wir besichtigten die auf ungenutzten Parzellen vor 10 Jahren angelegte Streuobstwiese. Wir waren beeindruckt von der vorbildlichen Zusammenarbeit verschiedenster Akteure: Die Flächen werden durch den Kleingartenverein bereitgestellt. Der Landkreis Stendal unterstützte das Vorhaben mit der Bereitstellung von Pflanzgut. Die Kleingärtner sind Mitglied im Landschaftspflegeverband, sie kümmern sich um die Pflege der Wiese und werden beim Gehölzschnitt der alten Obstsorten durch Jürgen Peters vom LPV angeleitet. Eine runde Sache mit Nutzen für Mensch und Natur!
Wir bedanken uns herzlich bei den Referenten und insbesondere Jürgen Peters und Lydia Rubbert vom LPV Altmark-Elb-Havel-Winkel für die gelungene Veranstaltung!
Kerstin Rieche
Landesverband für Landschaftspflege Sachsen-Anhalt e.V.
Wer Interesse an einem Vortrag hat, dem vermitteln wir gern den Kontakt zu den Referenten.